G Nachrechnung von Straßenbrücken

Aus ITP
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Allgemeines

Für Straßenbrücken regelt seit dem Jahre 2011 die „Nachrechnungsrichtlinie“ [1] die allgemeine Vorgehensweise und die Details der Brückennachrechnung. Neben dieser Norm sind natürlich noch die konkreten Normen zur Belastung und zur Bemessung zu beachten.

Soll die Tragsicherheit einer bestehenden Brücke nur erhalten werden (Sanierung), so gilt diese Nachrechnungrichtlinie nicht[2]. In solchen Fällen (bzw. auch nach Abstimmung mit den Obersten Straßenbaubehörden) darf der "letzte Normungsstand vor Einführung der DIN - Fachberichte" angewandt werden[3].

Durch die Nachrechnungsrichtlinie werden (im Gegensatz zum Brückenneubau) „Berechnungsstufen“ definiert. Diese regeln, inwieweit von den Normen, welche für den Brückenneubau gelten, abgewichen werden darf. In der Stufe 1 sind die „Neubaunormen“ noch voll zu 100% umzusetzen. Bei der Stufe 2 werden schon zusätzliche Regelungen vorgegeben; Stufe 3 basiert auf Messergebnisse. Bei der Stufe 4 werden schließlich wissenschaftliche Methoden angewandt.

Vorgehensweise

Die Berechnung einer bestehenden Brücke unterscheidet sich ganz grundsätzlich von einem Brückenneubau.

Hier muss nach Sichtung der Brückenprüfung und der Bestandsunterlagen gemeinsam mit dem AG ein erster „Berechnungsschritt“ festgelegt werden. Häufig ist dabei das angestrebte Ziellastniveau nicht nachweisbar. Nun muss auf der Grundlage der bewerteten Berechnungsergebnisse des ersten Schritts der nächste Berechnungsschritt erfolgen. Mitunter müssen aber dazu erst noch Untersuchungen (Prüfungen) am Bauwerk erfolgen. Gelegentlich können doch noch weitere Archivunterlagen beigebracht werden.

Letztlich wird in enger Zusammenarbeit mit dem AG ein noch verantwortbares Lastniveau nachgewiesen und dokumentiert. Durch eine Bewertung der Ergebnisse werden dann ggf. Nutzungsauflagen festgelegt. Häufig folgt nun die Planung der Sanierung bzw. Verstärkung. Im normalen Ingenieuralltag wird auf den Stufen 1 und ggf. 2 gerechnet.

Brückenprüfung und Bestandsunterlagen

Ohne aussagekräftige Bestandsunterlagen und eine aktuelle Brückenhauptprüfung nach DIN 1076 ist eine Brückennachrechnung weder zulässig noch sinnvoll. Hier müssen häufig Kompromisse eingegangen werden. Mitunter ergibt sich erst während der Bearbeitung, dass weitere Angaben vor Ort ermittelt werden müssen.

Modellbildung

Die Modellbildung erfolgt auf der Grundlage der aktuellen Möglichkeiten (FEM). Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden grundsätzlich räumliche Gesamtmodelle generiert. Diese bieten den Vorteil, dass derart:

   Querverteilung der Lasten
   abgestufte Steifigkeitsverhältnisse
   ggf. elastische Bettungen

relativ wirklichkeitsnah abgebildet werden können. Dies geschieht mit dem Ziel, so evtl. früher nicht genutzte Tragfähigkeitseffekte zu erfassen und für das angestrebte Ziellastniveau zu nutzen.

Ziellastniveau

Bei der Berechnung wird immer ein konkretes Ziellastniveau verfolgt. Dieses Niveau beschreibt eine durch eine (frühere) Norm vorgegebene vertikale Belastung aus dem Straßenverkehr. Die möglichen Ziellastniveaus sind:

   LM1     Lastmodell 1 nach DIN FB 101; 2009
   LMM    Lastmodell 1 nach EC (eher theoretisch)
   BK 60/30 Brückenklasse 60/30 nach DIN 1075; 1985
   BK 60   Brückenklasse 60 nach DIN 1075; 1967
   BK30/30 Brückenklasse 30/30 nach DIN 1075; 1985

Da frühere Normen keine oder nur wenige Angaben zu den restlichen Lasten (horizontale Lasten aus dem Straßenverkehr, Temperatureinwirkungen, Setzungen) beinhalteten, werden diese durch die Nachrechnungsrichtlinie gesondert vorgegeben. Auch werden zulässige Reduzierungen dieser Lasten genannt.

Das Gleiche gilt für das anzuwendende Ermüdungslastmodell. Hier können auch Verkehrserhebungen berücksichtigt werden.

Die Brückenklasse 45 (DIN 1072 11/67) wird in der aktuellen Nachrechnungsrichtlinie nicht erwähnt. In der "alten" Nachrechnungrichtlinie (04/1992) wurde diese Brückenklasse noch aufgelistet.

Materialangaben

Zum Thema Materialfestigkeiten beinhaltet die Nachrechnungsrichtline ausführliche Informationen zu:

   Beton
   Schlaffstahl
   Spannstahl
   Baustahl
   Verbindungsmittel
   Mauerwerk und Mörtel

Grundlage für die Festlegung der anzusetzenden Festigkeiten sind entweder Bestandsunterlagen (mit einem Verweis auf die damalige Norm) oder Materialproben.

Bemessung

Vorbemerkungen

Für die Nachweisführung sind unabhängig von der „Lastnorm“ die DIN Fachberichte 102 (Massivbrücken), 103 (Stahlbrücken) bzw. 104 (Stahlverbundbrücken) Ausgabe 2009 anzuwenden. Bei Gewölbebrücken gilt die DIN 1053-100. Ggf. dürfen auch die aktuellen EC’s angewandt werden. Gefordert ist in der Stufe 1, dass alle Nachweise:

   Grenzzustand der Tragfähigkeit,
   Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit,
   Grenzzustand der Ermüdung sowie
   konstruktive Forderungen

dieser Normen erfüllt sein müssen. Das ist nur in sehr seltenen Fällen möglich. Neben der Tragfähigkeit ist oft der Ermüdungsnachweis kritisch. Bei vorgespannten Konstruktionen kann der Dekompressionsnachweis in der Stufe 1 nur selten erbracht werden. Üblicherweise werden in einem ersten Bearbeitungsschritt nur die Überbauten untersucht. Grundsätzlich sollte aber das gesamte Tragwerk nachgewiesen werden. Dazu sind Aussagen zum Baugrund erforderlich.

AQB

Im AQB kann man die maximale und minimale Neigung der Druckstreben vorgeben. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Bemessung unter Beachtung der vorgegebenen Bewehrung durchzuführen.

beme zus bruc tana #tana tanb #tanb amax fix

Dann kann man auch die maximale Auslastung jedes einzelnen Rangs grafisch darstellen. Bei Überschreitungen sollte man diese Begrenzung aufheben und die Ränge einzeln auswerten.

Nachrechnungsrichtlinie - 1. Ergänzung

Hier werden kurz die Besonderheiten (Abweichungen) der Nachweisstufe 2 zusammengefasst. Die Zusammenfassung betrifft vorgespannte Tragwerke. Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Abweichungen um Abweichungen gegenüber den DIN Fachberichten 101 und 102.

Schnittgrößen

GZT

  • Eigengewicht

Nur wenn die Einflüsse:

   Abmessungen
   Wichte und
   Bewehrungsgehalt

am Bauwerk ermittelt werden sollten, kann der Teilsicherheitsbeiwert für das Eigengewicht von 1,35 auf 1,2 (auf 89%) reduziert werden.

  • Stützensenkung

Wenn die Schnittgrößen (Biegung, Querkraft und Torsion!) mit den Steifigkeiten Zustand I ermittelt werden, so dürfen diese auf 40% abgemindert werden.

  • Temperaturbeanspruchung

Wenn die Schnittgrößen mit den Steifigkeiten Zustand I ermittelt werden, so dürfen diese auf 40% abgemindert werden. Schwinden

Das Schwinden braucht im GZT mit lediglich 1,00 angesetzt zu werden.

  • Hauptzugspannungskriterium

Wenn im GZT das Hauptzugspannungskriterium genutzt wird, sind die speziellen Regelungen aus 12.2.2 (5) zu beachten. Beim Ermüdungsnachweis wird dann das Ziellastniveau angesetzt.

GZN

Im GZN gibt es keine Abweichungen.

Bemessung

Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite

  • Schlaffstahl

Für den Schlaffstahl, welcher die Biegung aufnimmt, darf unter der Voraussetzung, dass ein „ungünstiges“ Differenzmaß von 2cm angesetzt wird, eine Materialsicherheit von nur 1,05 berücksichtigt werden. Für die Bügelbewehrung ist eine solche Reduzierung der Materialsicherheit nicht vorgesehen.

  • Spannstahl

Für den Spannstahl lauten diese Regelungen Differenzmaß=1cm und Materialsicherheit=1,1

Bemessung GZT

Bei der Biegung (mit Längskraft) sind die in der 1. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie neue Regelungen vorgegeben. Bei der Querkraft und bei der Torsion gelten besondere Regelungen für die Neigung der Druckstreben.

Bemessung GZN

  • Grenzwerte der Vorspannkraft

Die Vorspannung ist mit 0,95 bzw. 1,0 anzuesetzen.

  • Dekompression

Bei der Dekompression kann ggf. auf die nachgewiesene Betonzugfestigkeit abgestellt werden; dann aber Nachweisklasse C!

  • Rissbreitennachweis

Die Nachrechnungsrichtlinie fordert (!???) das Nachweisformat "Berechnung der Rissweite".

Ermüdung

  • Biegung oder Querkraft

Grundsätzlich ist mit der1. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie zwischen der Ermüdung infolge Biegung und der Ermüdung infolge der Querkraft zu unterscheiden.

  • Querkraftbewehrung

Außerdem wird ein Nachweis „unter Vernachlässigung der Querkraftbewehrung“ als Option vorgegeben.

  • Lastmodell

Weiterhin ist zu beachten, dass beim Nachweis der schädigungsäquivalenten Spannungsschwingbreite als Einwirkung die Lasten aus dem Ermüdungslastmodell (ELM 3) zu berücksichtigen sind. Da hingegen werden beim Nachweis der Hauptzugspannungen die Lasten aus dem „Ziellastniveau“ angesetzt.

In beiden Fällen ist die Temperaturbeanspruchung zu berücksichtigen.

Querkraftbewehrung

Bei Massivbrücken ist oft die vorhandene Querkraftbewehrung kritisch. Neben den neuen Möglichkeiten der Nachrechnungsrichtlinie gibt es da noch die Firma WÜRTH. Die haben Verbundankerschrauben RELAST mit einer Zulassung. Damit ist eine Querkraftverstärkung möglich.

Quellenangaben

  1. Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand; einschl. 1.Ergänzung
  2. NaRiLi 1.2 zweiter Antrich
  3. NaRiLi 4.2 (7)